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35 Jahre nach dem Brandanschlag von Kempten: Rassistischer Terror und staatliches Versagen

In der Nacht vom 16. auf den 17. November 1990 legten Täter einen Brand in einem Kemptener Mehrfamilienhaus, in dem türkischstämmige Familien lebten. Der fünfjährige Ercan starb an einer Rauchgasvergiftung, mehrere Angehörige wurden schwer verletzt. Kurz nach der Tat tauchte ein Bekennerschreiben der „Anti-Kanaken-Front Kempten“ auf. Es wies eindeutig auf ein rassistisches Motiv hin.

Trotzdem behandelten Polizei und Staatsanwaltschaft den Anschlag nicht als rechten Terror. Statt das Bekennerschreiben ernst zu nehmen, verdächtigten die Ermittler zeitweise sogar Bewohner*innen des Hauses. Die Täter wurden nie ermittelt. Bereits nach weniger als zwei Jahren stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Die Familie erfuhr erst 30 Jahre später durch journalistische Recherchen von der Existenz des Bekennerschreibens.

2020 wurden die Ermittlungen neu aufgenommen, auch im Zusammenhang mit weiteren Brandstiftungen im Allgäu. Doch erneut führten sie zu keinem Ergebnis. Heute gelten sie als abgeschlossen – wieder ohne klare Antworten, wieder ohne Verantwortung.

35 Jahre nach der Tat bleibt festzuhalten: Ercan und seine Familie wurden nicht nur Opfer eines rassistischen Anschlags, sondern auch staatlicher Ignoranz. Eine ernsthafte Aufarbeitung durch Polizei und Stadt Kempten steht weiterhin aus: die Anerkennung von Fehlern, Transparenz über den Umgang mit dem Bekennerschreiben und eine offizielle Entschuldigung gegenüber den Betroffenen.

Der Fall zeigt beispielhaft, wie staatliche Institutionen in Deutschland seit Jahrzehnten mit rassistischer Gewalt umgehen: Ermittlungen werden früh verengt, rechte Netzwerke übersehen oder verharmlost, Betroffene hingegen werden misstrauisch behandelt. Diese Muster sind kein Zufall, sondern Ergebnis einer Behördenkultur, die Rassismus nicht als zentrales gesellschaftliches Problem anerkennt. Wo rechte Täter nicht konsequent verfolgt werden, entsteht ein Klima der Straflosigkeit. Wo Betroffene nicht geschützt werden, verlieren sie Vertrauen in jene Institutionen, die sie eigentlich verteidigen sollen. Diese strukturellen Defizite sind nicht nur Fehler einzelner Personen, sondern Ausdruck eines staatlichen Systems, das blinde Flecken gegenüber rechter Gewalt über Jahre hinweg aufrechterhalten hat.

Erinnern heißt, diese Verantwortung einzufordern. Für Ercan. Für alle Opfer rassistischer Gewalt.

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